Sie war endlich am Meer, sah endloses Grün, weisse Gischt, darüber den blauen Himmel und irgendwie war sie fast zu glücklich für einen allein.
Ja, sagte sie. Ja.Ja.Ja.
Es klang so komisch, dass sie lachen musste. Und immer, wenn sie lachen musste, bekam sie Hunger. Ein kleiner Stand mit rotweiss gestreiftem Sonnenschirm befand sich direkt gegenüber der Mole, über die sie gerade gekommen war. Sie bestellte einen Erdbeerpie, den echten Strawberry Shortcake, zum Mitnehmen, und ass ihn, während sie am Strand entlangschlenderte. Der Junge vom Stand sah ihr nach und lächelte. Eine echte Meerjungfrau, sie braucht kein Kostüm, keinen falschen Fischschwanz, keine Glitzerketten, nichts. Die ist echt, dachte er. Keine Frage. Schon wie sie ging und immer ein bisschen zu nah am Wasser, als würde sie die See magnetisch anziehen. Anscheinend war ihr egal, dass ihre Schuhe dabei nass wurden. Sie hatte diese ungezwungene Art, die er bei Frauen so mochte, sie war selbstsicher, aber nicht auf diese aggressive Art, die moderne Frauen heute zur Schau stellen, wohl nur, um ihre Unsicherheit zu überspielen. Er dachte daran, wie ein Date mit ihr sein mochte. Und sah ihr lange nach, bis eine ungeduldige Kinderstimme ihn aus seinen Träumen riss.
Eine kleine aufgetakelte Meerjungfrau, schon für die Mermaid-Parade aufgestylt, mit ihrer stolzen Mom im Schlepptau, die den Fotoapparat gezückt hatte, um jeden Schritt der Kleinen fürs Familienalbum festzuhalten. Natürlich musste er ebenfalls mit aufs Bild. Sein Lächeln fiel etwas dünn aus, aber er bemühte sich redlich, obwohl es ihm schwer fiel. Am liebsten hätte er den Stand im Stich gelassen und wäre der Frau von vorhin nachgelaufen, hätte irgendwo Blumen gekauft und wäre dann vor ihr gestanden, wie ein Schulkind, ausser Atem und verlegen. Wollen Sie mich heiraten? Er grinste. Sie würde wohl umkippen. Ich habe Sie vorhin zum ersten Mal in meinem Leben gesehen, und wollen Sie mich heiraten und mit mir viele kleine Meerjungfrauenkinder haben? Seltsam, aber es kam ihm plötzlich völlig normal vor, so zu handeln. Konnte gut sein, dass ihm der Wahnsinn, der hier ringsumher herrschte, langsam zu Kopfe stieg. Eine neue Fähre legte an und entliess eine Woge von Tüll, Satin und Bikinitops auf den Strand.
Die Mole war ein glitzernder Catwalk geworden, auf dem urbane Meerjungfrauen flanierten. Glitzerstaub flirrte in der Luft wie eine besonders schöne und tödliche Sorte von Feinstaub oder Smog. Er wischte sich über die Augen. Der Anblick war surreal. Barbiepuppen mit langem blondem Kunsthaar, viel nacktes gebräuntes Fleisch, einiges eindeutig falsch, Transvestiten, Models und Missen, Beachschönheiten mit perfekten Figuren.
Aber keine Meerjungfrauen, dachte er und wunderte sich über sich selbst. Keine einzige echte Meerjungfrau. Bis auf die eine, die er heiraten wollte. Er fragte sich, ob die Ehe mit einer Meerjungfrau komplizierter sei als eine normale Ehe mit einer normalen Menschenfrau. Und wie die Kinder aussehen würden. Hübscher als Menschenkinder. Natürlich. Er lächelte einer Barbiepuppe in Babyblau und Silber unbewusst ins Gesicht und zuckte zusammen, als sie sein Lächeln strahlend erwiderte und Anstalten machte, näherzukommen. Sie würde sowieso nur eins dieser Lightprodukte bestellen, das ekelerregende Diät-Erdbeereis, das momentan so beliebt war. Sie war wie alle hier, vorhersehbar, geistlos und unsagbar langweilig. Als sie an den Stand kam, bediente sie sein Kollege und er war dankbar dafür. Er täuschte vor, sie zu spät gesehen zu haben und zuckte lächelnd mit den Schultern, als sie wieder ging und ihm einen bedauernden Seitenblick zuwarf, dann war sie schon in der Menge verschwunden, was er garantiert nicht bedauerte. Er sah sie 10 Minuten später auf der Mole für Fotografen posieren wie ein Model. Es sah unsagbar bizarr aus, was sie da betrieb, denn sie hatte ihren Fischschwanz angelegt und hoppelte linkisch die Planken entlang wie ein gehbehindertes Kaninchen.
Ein leichter Wind kam auf und brachte Salz und eine Spur Sand, wahrscheinlich tödlichen Glitzersand vom Meerjungfrauengestade, der ihn für immer blenden würde, wenn er ihn in die Augen bekäme. Es kam natürlich genau so, wie er es vorhergesehen hatte, eine gehörige Portion salziger Sand zusammen mit dem hell gleissenden Licht drang mitten in seine Augen, und in der Woge von Licht und Wind, der vom Meer kam, stand sie plötzlich vor ihm am Stand und lächelte ihn an. Vielleicht hoffte er ja nur, dass sie es tat, sie schien jedenfalls zu lächeln. Im Moment konnte er eigentlich nur erkennen, dass es eindeutig sie war, er kannte ihre Umrisse, er hatte ihr ja lang genug nachgesehen. Ihr Abbild geisterte noch immer auf seiner Netzhaut herum, als wäre er ein Spiegel, in den sie geblickt hatte. Er kam sich sagenhaft dämlich vor. Stand vor ihr und wischte sich Sand und Tränen aus seinen Augen, die sicher verquollen waren, als hätte er Heuschnupfen.
Es war nicht zu fassen. Das Szenario, das er sich vorhin noch vorgestellt hatte, war plötzlich weit weg. Er, der Kavalier, der ihr wie in einem Kitschfilm Blumen überreichte und sie, wie sie erstaunt und ein wenig scheu nach den Blumen griff und dabei seine Hände berührte. Eine langfingrige Hand, die ein Papiertaschentuch hielt.
Er sah staunend auf diese zarten Finger. Sogar ihre Finger hatten etwas meerjungfrauenhaftes, sie waren schmal und elegant, sie trug einen goldenen Ring mit einem kleinen Seestern aus Türkis, der sich mit ihrer warmen leuchtenden Haut in wunderbarer Harmonie verband. Ihr Handgelenk schmückte ein schmaler Goldreifen. Natürlich hatte sie keine Schwimmhäute zwischen den Fingern. Vielleicht wuchsen sie ihr erst im Wasser.
Die bewundernswerte Hand wedelte nun nachdrücklich mit dem Taschentuch vor seinem Gesicht. Sah fast so aus, als würde jemand die weisse Fahne hissen, um zu signalisieren, dass er in Frieden gekommen war. Es war süss, wie sie vor seinem Gesicht herumwedelte. Vielleicht war er auch über und über mit Sand bedeckt, wer weiss. Er stellte sich vor, wie er als kleines Häufchen Sand hinter der Kuchenvitrine stand, und wie sie ihn gesehen hatte, die menschliche Sanddüne, und schon aus Mitleid herangekommen war, um ihm wieder seine menschliche Forum zurückzugeben. Sie war nicht sandig, natürlich nicht. Sie sah frisch aus wie gerade aus dem Wasser gehüpft.
Er nahm das Tuch an, murmelte verlegen seinen Dank und wischte sich den Sand aus den Augen.
Als er sie klar sehen konnte, war sein erster Gedanke: Sie ist zu schön für mich . Die Schneekönigin entführt den kleinen Kai, nur dass diese hier nicht mit Eis und Schnee und Rentieren und einem Schlitten ankommt, sondern mit grünen Meereswogen, gleissendem Licht und Seepferdchen, die ihren Wagen ziehen. Meerschaum. Blinkende Wellen. Er sah sie an.
Ihr Mund lächelte immer, er war an den Mundwinkeln hochgezogen, wie bei einem Delphin. Irgendetwas an ihr war anders als vorhin, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, doch genau konnte er es nicht sagen, es war eine subtile Veränderung, sicher nichts äusserliches.
Das Mädchen leuchtete von innen, als hätte sie Licht getrunken.
fortsetzung folgt...eines schönen tages
Mittwoch, 17. August 2011
Mittwoch, 10. August 2011
es gibt menschen, an denen du einfach vorübergehst
vielleicht weil es menschen ohne geheimnisse sind
oder weil ihr licht nicht ausreicht, um dich zu fesseln
manchmal bleibt eine nächtliche strasse einfach das,
was sie dem schein nach ist: eine nächtliche strasse
und kein zauberbild, das dich wie ein mondstrahl aus finsterem himmel blendet--
dann schmerzen die nächte und die strasse wirkt endlos lang
schatten treiben an dir vorüber, du bemerkst sie nicht
nur einer von ihnen, den zauberern, verwandelt eine regennacht in ein flirrendes lichtermeer
eine neondunkle bar wird zum ort geheimer treffen
eine graffittibesprühte wand zum wegweiser, zur schatzkarte, die dir deine träume wiederbringt
lächelt der mensch, der am hellerleuchteten fenster steht, nicht gerade zu dir herunter?
murmelt dir zu, dass gerade du in diesem einzigen moment dieser nacht
für ihn der stern bist,
der stern, auf den er immer gewartet hat
sein leben lang
vielleicht weil es menschen ohne geheimnisse sind
oder weil ihr licht nicht ausreicht, um dich zu fesseln
manchmal bleibt eine nächtliche strasse einfach das,
was sie dem schein nach ist: eine nächtliche strasse
und kein zauberbild, das dich wie ein mondstrahl aus finsterem himmel blendet--
dann schmerzen die nächte und die strasse wirkt endlos lang
schatten treiben an dir vorüber, du bemerkst sie nicht
nur einer von ihnen, den zauberern, verwandelt eine regennacht in ein flirrendes lichtermeer
eine neondunkle bar wird zum ort geheimer treffen
eine graffittibesprühte wand zum wegweiser, zur schatzkarte, die dir deine träume wiederbringt
lächelt der mensch, der am hellerleuchteten fenster steht, nicht gerade zu dir herunter?
murmelt dir zu, dass gerade du in diesem einzigen moment dieser nacht
für ihn der stern bist,
der stern, auf den er immer gewartet hat
sein leben lang
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