Donnerstag, 29. Juli 2010

Millenia Nova - I'm Dead

hinter dem vorhang

bilder wie durch die augen einer toten betrachtet
an den rändern zerfasert
zersprungene glasscheiben
ein vorhang weht im wind
ich sehe meine hand, die ihn beiseiteschiebt
wie durchsichtig sie geworden ist
ich kann die fingerknochen sehen
es ist winter
es scheint kalt zu sein
ich kann es nicht fühlen

doch ich sehe alles
wie durch die augen einer toten
manchmal liebe ich zu sehr
ein gedanke, der mir durch den kopf geht
ich verstehe ihn nicht
doch ich denke ihn gern
ein hauch wärme lässt die winterbäume leuchten
dahinter dehnt sich der himmel
in endlosem blau

Dienstag, 20. Juli 2010

remember

das verschwinden muss von langer hand geplant werden, sagt lila und poliert ihren kompass, damit nichts schief geht und nichts vergessen wird
ich bin doch so vergesslich manchmal
verschwinden dinge in der natur, einfach so? fragt sie aus dem offenen fenster.
können auch menschen einfach so verschwinden? hängt wahrscheinlich davon ab, warum sie verschwinden wollen. alles hängt vom kompass ab.
über den dunkelblauen nachthimmel zucken feine silbrige blitze, die sich über ihre augen legen wie fein verästelte adern.
sie lächelt und geht schlafen.

Montag, 5. Juli 2010

morgenmädchen

aus meinen reise-aufzeichnungen: wenn der tag erwacht, erwachst auch du. ein teil von dir wird sich nun jedoch zur ruhe begeben. ein teil von dir schläft immer.


heute im zug, ca. um 6.30. der vollmond stand über der einsamen landschaft, die wir durchfuhren, ein perfekter vollmond, riesengross, wie ein gigantischer planet, eine 2. erde. ich dachte noch im halbschlaf, dass ich nun fotografieren sollte, doch die kamera lag in diesem augenblick vergessen auf dem küchentisch, in der dunklen küche, wo sie doch das licht hätte einfangen sollen.
ich war müde, als hätte ich wochenlang nicht geschlafen, ich döste..und erwachte bei sonnenaufgang. bald würde es schneien, die luft war eiskalt, ich war verschlafen und fröstelte, hineingekuschelt in meinen sitz am fenster. der nebel hob sich und liess buntbelaubte bäume erkennen, rauch aus kaminen, die ersten lichter in den fenstern.

ein eigenartiges gefühl, es sich in einem leeren abteil gemütlich einzurichten, beinah wie der versuch, ein stück zuhause mitzunehmen, auf reisen, in einem beinah menschenleeren zug. ich wünschte mir eine decke, am liebsten handgestrickt und warm und kuschelig, oder einen quilt über meinen beinen, und ein grosses wolltuch über meinen schultern.
eine katze auf dem schoss, bienenwachskerzen und heissen kakao.
ich wünschte mir, zuhause zu sein.
im warmen weichen morgennebel mit verschlafenen augen und einem kinderherz


wie anders gestaltet sich eine nächtliche fahrt in einem beinah menschenleeren zug. das abteil leer, die füsse lässig auf dem gegenüberliegenden sitz, rauchend, das fenster geöffnet. der wind bauscht die vorhänge, fährt in die haare und unter die
kleidung. die geräusche des zuges, das schleifen auf den schienen, quietschendes metall und ein zischeln von funken
natürlich kein künstliches licht, unsereins braucht kein licht,
wir sehen in der nacht
wie gespenster
der mond brüllt uns entgegen und unverletzlich lachen wir ihm blutrot entgegen


wie schizophren, murmelt dir die morgenkreatur ins ohr und sieht verletzlich wie aus gesprungenem glas in nebel, dunst
und verquirlte farben hinaus,
hilflos, verletzlich im morgenrot gefangen
ein tag der leiden wenn du menschen begegnest
ein guter tag, wenn du ihnen entkommst

du kleiner märtyrer
die nächtliche kreatur kotzt dem morgenmädchen blut ins gesicht
darunter reflektiert gesprungenes glas die farben des tages

Sonntag, 4. Juli 2010

godspeed, my friend

es ist erst einige tage her und es fühlt sich an, als wären es schon wochen.
die verbindung zu einem menschen ist abgerissen, ganz plötzlich, der mensch ist fort. man weiss nicht, wohin er gegangen ist, niemand weiss genaues. auf einmal war er weg.

wer war er?
für viele ein held, was er jedoch konstant ignorierte. vielleicht hätte er es akzeptieren sollen. die liebe, die man ihm entgegenbrachte, war echt. nun, da er gegangen war, versuchten alle, ihr gebrochenes herz durch unsinnige aktivitäten zu kurieren. einige suchten wie verlassene kinder alle orte ab, an denen er jemals gewesen war. sie hofften, ein zeichen seiner präsenz zu finden, doch jeder versuch endete in einer sackgasse. und mit jedem versuch wurde das innere frieren schmerzhafter, bis sie irgendwann realisierten, dass die welt durch den verlust eines solchen menschen nie wieder dieselbe sein würde. die welt wird kälter und kleiner. es ist so, als wäre zuerst dieses weite offene land gewesen, das danach von einem stacheldrahtzaun durchzogen wird. wieder mal den blick auf den weiten horizont versperrt, und man vermisst den freien blick in die weite mehr als alles andere.
die welt wird wieder neu definiert, alles verschiebt sich, alles ist im wandel. neue wunden. neue mauern. wieder mal etwas, womit man nicht gerechnet hätte. und womit man irgendwie klarkommen musste.
jeder auf seine art.

manche setzten sich in einen stillen winkel und betranken sich. dachten an ihn. versuchten, ihren schmerz durch trotz zu bekämpfen. doch es brachte nichts.
das schwarze loch, das in ihre seelen gerissen war, wurde dadurch nicht kleiner. jeden tag wuchs es, jeden tag erinnerte es sie daran, was sie verloren hatten. nicht nur einen mann, sondern ein ganzes universum.

einige, und zu denen gehöre auch ich, versuchen, den schmerz zu einem teil ihres universums zu machen und damit zu leben, ihn zu akzeptieren und zu ertragen. darüber zu schreiben, was im moment noch viel mehr weh tut, als die gefühle zu verdrängen oder zu betäuben. dieser schmerz ist rauh und wie eine offene wunde, aus der blut fliesst. doch ich will nicht, dass sich diese wunde entzündet und gift ausströmt. ich möchte den scharfen schmerz fühlen, der mir die tränen in die augen treibt. kein vergifteter gedanke darf hier gedacht werden. keine bitterkeit, keine vorwürfe. nichts von alldem hat hier platz. es passt nicht zu ihm, nicht zu uns.
der schmerz ist scharf und schneidend wie der herbstwind, der dir tränen in die augen treibt.
und wieder muss ich an ihn denken.
frische kalte luft, eine breite strasse, endlos. das gefühl der freiheit. was für ein mensch.


ein freiheitskämpfer, sagte vor einigen tagen einer zu mir, der es wissen musste.
wenn man einen solchen menschen verliert, verliert man einen teil seiner stärke.

wir sind alle stark, doch in manchen momenten dürfen wir einfach nur klein und traurig sein.


godspeed you, boon dock rod!