der lampion war immer sein liebstes gewesen, wie ein zweiter mond, hatte er gesagt und sich denselben gekauft,
obwohl es ihn mühe gekostet hatte, den händler ausfindig zu machen,
der inzwischen schon einige male umgezogen war, umziehen hatte müssen,  sein geschäft, das sich immer im souterrain alter häuser befunden hatte,  war jedes mal von den wassermassen des monsun geflutet worden
was man den alten möbeln ansah, die einst farbenfrohe malerei war inzwischen verblasst, die einstige pracht vergangen
und doch schleppte er die möbel immer mit, erbstücke, sagte er, seit hunderten von jahren in seiner familie befindlich,
er sagte, er würde sie auf seinem rücken tragen, doch man sollte alten männern nicht alles glauben,
vor allen denjenigen nicht, die einst zur see gefahren sind
ganz oben auf dem hölzernen schrank sass ein gemalter blauer schmetterling, den das hochwasser nicht erreicht hatte
über dem schmetterling hing ein grosser weisser lampion, der bei jedem  luftzug in der luft zu tanzen schien und der schmetterling schlug mit  seinen flügeln, wenn keiner hinsah
der blaue schmetterling hatte seinen zwilling im hügelland von china  zurückgelassen, manche reisende stellten fest, dass die hügel des landes  den toskanischen hügeln ähnelten, obwohl sie nicht so grün waren, das  wilde grün war eindeutig chinesischer, das patinierte grün hingegen  toskanischer herkunft
auf einem geschnitzten kasten, der die aussteuer eines chinesischen  mädchen enthalten hatte, sass der zwillingsschmetterling mit den blauen  flügeln und er sass meist reglos
das mädchen war zur alten frau geworden  und der aussteuerschrank verschlossen und nie wieder geöffnet worden, nachdem ihr verlobter zur see gefahren und nie wiedergekehrt war
ihr bruder war ein kaufmann, der nichts fürchtete ausser den langen  regentagen des monsun, erzählte sie immer wieder, dabei hätte er schon  längst nach hause kommen können, doch wilde seelen hält nichts daheim,  schon gar nicht, wenn es die seelen von menschen sind, die tiermasken  tragen
manchmal trägt sie eine schmetterlingsmaske oder einen vogelkopf, ihr bruder hingegen trägt das gesicht einer katze
er ist über achzig erzählt sie und sein geschäft geht gut, er trinkt jeden tag kräuterlikör und kaut ginseng
er ist unsterblich sagt sie und der blaue schmetterling lässt die flügel vibrieren bis sie weint
glaubst du, fragt sie den schatten hinter ihrem bett, der vom mondlicht des weissen lampions nur sachte berührt wird,
ja, glaubst du, dass er recht hatte und wir unrecht
glaubst du, dass er im recht war
der schatten fliegt davon, über die täler und das schwarzgrün der  nächtlichen wiesen und wälder, während sie ihm mit einem  blütenbestickten taschentuch nachwinkt
das taschentuch mit den rosaroten blüten wurde einst von einem blinden  mädchen bestickt, ein mädchen mit händen, so zart wie die hände eines  kleinen kindes
die hände waren weiss wie milch und manchmal perlte ein  winziger blutstropfen auf einer fingerspitze
manchmal landete der blutstropfen auf dem seidenweiss des stoffes, doch  meistens schleckte sie ihn auf, mit ihrer rosigen langen zunge, die wie  die zunge einer katze war
ich kann bei dunkelheit arbeiten, sagte sie, doch leider kann ich den weissen lampion nicht sehen, von dem ihr immer sprecht,
der, dessen licht dem mondlicht ähnelt, das ich jedoch sehen kann
es ist alles, was ich sehen kann, sagte sie
es ist wie gefrorene milch.
 
