Dienstag, 30. September 2014
wegweiser
es ist gerade ein scharfer schmerz in mir, den ich nicht beschreiben kann, der schlimmer ist als alles, was ich an schmerzen kenne. es gibt kein mittel diesen schmerz zu lindern, nur die hoffnung, so pathetisch es auch klingen mag. die hoffnung, das binnenland zu verlassen, an dem ich gestrandet bin, sei es nun durch zufall oder durch eine absicht, die mir verborgen ist. wie der widerhaken einer harpune, der tief in mir sitzt, und wenn es jemanden gibt, der delphine harpuniert, dann sollte dieser jemand schon einen triftigen grund dafür haben, denn delphine weinen wie kleine kinder, wenn sie schmerzen leiden.
der aufbruch, in so vielen visionen und träumen geprobt, steht wieder klar vor meinem auge und doch ist es angebracht, mich in geduld zu üben. niemand kommt ans ziel, wenn er blind drauflosläuft, es muss geplant werden, jeden tag ein stück mehr, damit man nicht verloren geht wie ein narr, der ins nichts stolpert.
der weg ist das ziel, so hörte ich oft, und nie konnte ich damit etwas anfangen. der weg...das wäre diese zeit hier, die ich nun verbringe, im binnenland, wo ich einst gestrandet bin. kann diese schmerzhafte zeit der weg sein? oder ist damit etwas anderes gemeint?
der weg ist das ziel. wie könnte man diesen spruch auslegen? der weg der visionen und des immer wieder erprobten aufbruchs, der das ziel bereits in sich trägt, vielleicht ist es so gemeint - der weg trägt das ziel bereits in sich? gerade kommt es mir logisch vor.
warum gibt es so wenige, die so sind wie ich? warum kann ich mich kaum verständlich machen? bin ich ein so seltenes tier, oder liegt es nur daran, dass ich ein gestrandeter delphin bin und die anderen landbewohner sind, die sich niemals nach dem ozean und den inseln sehnen? über meinen augen liegt ein staubiger schleier, so viel bin ich gegangen, durch das trockene land, ein dicker schleier aus staub, der die augen müde macht und den blick auf das wesentliche so oft verstellt. und doch bin ich stark. wenn ich sie, die landbewohner, nicht an mich ranlasse, bin ich wirklich stark. dann bin ich der herr meines langen wegs und ich werde ihn bis zum ziel weitergehen und das ziel liegt am ozean, der mich schon in den schlaf wiegt, obwohl ich noch gar nicht angekommen bin.
ich möchte nicht vergessen, dankbar zu sein. es gibt diese welt, die ich suche. dafür bin ich dankbar. und für die wenigen wesen, die mich verstehen. für den weiten horizont hinter den häusern der stadt, der mir immer hoffnung gibt, und dafür, dass der mensch mein biotop noch nicht zerstört hat. ich bin auch dafür dankbar, dass ich nicht hassen muss. obwohl ich es anfangs getan habe. doch anfangs war ich weit weg von dem, was ich jetzt bin. ich wusste nicht, woher ich stamme und in mir war nur brüllen und hass. ich wollte einfach nur verletzen. wie es gequälte seelen eben machen. dieser hass ist schon lange nicht mehr da. doch sollte ich wirklich verzweifeln und für einen kurzen augenblick meine hoffnung verlieren, dann kann ich mich darauf verlassen, dass ich aggressiv genug bin, um diese zeitspanne zu überleben und nicht wie ein märtyrer vor mich hinzusiechen. meistens jedoch bin ich froh, ohne auszukommen.
doch gegen den schmerz, der in mir ist, wenn ich den ozean direkt vor mir sehe, obwohl ich in dieser schlucht aus häusern und staubigen strassen gefangen bin, kann ich gar nichts machen. ich versuche ihn nun, mich leiten zu lassen. der schmerz, das heimweh, soll der wegweiser sein.
nur so erhält er sinn und so ist es wohl auch gemeint.
archangel bar, 11.04.2008